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Donnerstag, 6. Juni 2013

Sex und die Zitadelle - Shereen el Feki über die Welt der Sexualität in den arabischen Ländern der Revolution

“Sex und die Zitadelle” (oder der noch gelungenere englische Titel “Sex and the Citadelle” als Anlehnung an “Sex and the City”) ist mutig, aufklärend und ausgesprochen unterhaltsam zu lesen. El Feki nimmt sich hier eines absoluten Tabu-Themas an und präsentiert es auf beeindruckende Weise. Sex, sexuelle Vorstellungen und Normen, sowie die Geschichte der Sexualität in einer sich wandelnden arabischen Gesellschaft ist ein überraschender Perspektivwechsel - weg vom Tahir Platz und hin zum Privatesten des Privaten.

Klappentext

Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt. Dieses Buch wagt sich an ein Tabu: Fünf Jahre lang hat Shereen El Feki Frauen und Männer in den arabischen Ländern, vor allem in Ägypten, befragt, was sie über Sex denken und welche Rolle er in ihrem Leben spielt. El Feki schildert bewegende Schicksale, erläutert historische Hintergründe und liefert aufschlussreiche Daten. Anhand der verschiedenen Aspekte von Sexualität eröffnet sie völlig neue Einblicke in das Innenleben der sich wandelnden arabischen Welt. Sie betont, dass den Islam eigentlich eine positive Haltung zur Sexualität auszeichnet, vertritt aber zugleich die provokante These, dass ohne einen freieren, offeneren Umgang damit die politisch-soziale Entwicklung in den arabischen Gesellschaften weiterhin stagnieren wird. 

 Buchrezension von Deutschlandradio Kultur

(Ausschnitte)


Die äußerst strenge Sexualmoral in Ägypten muss sich lockern, davon ist Shereen El Feki überzeugt. Denn allein ein politischer Wandel helfe den Menschen nicht. In ihrem anekdotenreichen Buch über unbefriedigenden Sex in der Ehe und unerlaubten Sex vor der Ehe verurteilt sie die Gesellschaft dennoch nicht, sondern will helfen, sie zu verstehen.


In der Aufbruchstimmung des Arabischen Frühlings vor zwei Jahren konnte man Liebespärchen Hand in Hand über den Tahrir-Platz in Kairo schlendern sehen. Das war ein politisches Statement: Viele junge Menschen hofften nicht nur auf größere persönliche Freiheit, sondern auch auf eine Lockerung der in Ägypten noch immer äußerst strengen Sexualmoral. Dass letzteres in der arabischen Welt ebenso schwer, wenn nicht noch schwerer zu erreichen sein wird wie die politische Demokratisierung, davon Shereen El Feki in ihrem Buch "Sex und die Zitadelle". 

El Feki vermeidet vorschnelle Verurteilungen  

El Feki, die sich als Gesellschaftserforscherin in der günstigen Lage befindet, sowohl als westlich erzogene Außenseiterin wie aber auch als arabisch sprechende Ägypterin aufzutreten, berichtet über all diese Dinge nicht im Tonfall der moralischen Empörung, sondern mit bemerkenswerter Neutralität, und oft sogar mit Humor.

Vorschnelle Verurteilungen und einen allzu westlich geprägten Blick auf die arabischen Traditionen vermeidet sie bewusst, und darin liegt eine große Qualität ihres Buches. Es geht ihr nicht so sehr um die Kritik, sondern mehr um das Verstehen. Vor allem ist sie an den individuellen Freiräumen und Kompromissen, von denen ihr die Menschen erzählen, genauso interessiert wie an der von ihr analysierten gesamtgesellschaftlichen Unterdrückung der Sexualität.

Aufschlussreich sind dabei immer auch die eingestreuten historischen und religiösen Informationen zur islamischen Sexualmoral, die durchaus nicht immer so rigide war wie heute. Das Buch ist voller Verweise auf die arabische Erotik-Tradition und die grundsätzlich positive Einstellung zur Sexualität, welche den Islam in früheren Jahrhunderten oft in Konflikt mit dem theologisch prinzipiell sexualfeindlicheren Christentum brachten. Davon, so zeigt Shereen El Feki überzeugend, ist heute nicht viel übrig geblieben. Aber sie lässt keinen Zweifel daran: Der Weg zur politischen Befreiung kann nur mit einer Befreiung der Sitten, der Geschlechterverhältnisse und der Sexualität zusammen gehen.

 

Eingestellt von Alondra Institute