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Freitag, 30. November 2012
Sonntag, 18. November 2012
Arabische Frauen im Aufbruch
Quelle: Amazon.de |
Die neuen arabischen Frauen
Gabi Kratochwil
(September 2012)
Die Arabellion hatte ein weibliches Gesicht. Jetzt ist ein Buch erschienen, das sehr persönlich und hintergründig über die Rolle der Frauen während der Umbrüche und die Folgen des Arabischen Frühlings informiert. Martina Sabra hat das Buch gelesen. >> weiter zur Buchbesprechung bei quantara.de
Samstag, 17. November 2012
Politische Karikaturen
Spätestens seit die dänische Tageszeitung “Morgenavisen Jyllands-Posten” im Jahr 2006 Mohammed Karikaturen veröffentlichte, kennt die gegenwärtige Welt die Gewalt und Macht der politischen und religiösen Karikaturen. Die Veröffentlichung brachte einerseits erhebliche Verschlechterungen der diplomatischen Beziehungen zwischen Europa und dem Mittleren Osten und anderseits die Debatte der öffentlichen Presse- und Meinungsfreiheit mit sich. Und als 2012 die französiche Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo erneut Karikaturen des Propheten Mohammeds veröffentlichte, brannten einmal mehr Flaggen und Botschaften im Nahen und Mittleren Osten.
Das wirft die Frage nach einem adäquaten Umgang mit Karikaturen auf: Sowohl auf Seiten der Zeitungen als auch auf Seiten
der Leser. Sind Karikaturen gefährlich?
Sind Comics politisch?
Kann man das Veröffentlichen von Karikaturen verantworten und wenn ja, wie?
Kann das Publikum mit Karikaturen umgehen und wenn ja, wie?
Die Geschichte der Propaganda in Form von Bildern ist schon sehr viel älter als in Zeitungen, im Radio und im Fernsehen. Bilder, die eine Nachricht vermitteln sollen, Handlungen provozieren oder eine bestimmte Einstellung zu einem Thema hervorrufen, kann man überall zu allen Zeiten entdecken. Diese sind entweder politisch, religiös oder ethisch oder einfach nur das, was man im spanischen eine "Chiste" nennt, ein ironisches Augenzwinkern. Karikatur-ähnliche Bilder findet man also schon im frühen Mittelalter, genau genommen schon sehr viel früher in den griechischen Götterdarstellungen, den ägyptischen Wandmalereien oder sogar in den Hohlenmalereien der Steinzeit. Die lange Tradition der Karikaturen hatte im Laufe der Zeit schon viele Hochs und Tiefs erlebt. So wurden Karikaturen sowohl im “3. Reich” von den Nazionalsozialisten für ihre Propaganda verwendet, als auch auf Seiten der Alliierten, wie beispielsweise von der amerikanische Firma Disney, die auf die Gefahr und die Verblendung des Nazireiches aufmerksam machen wollten. Und ganz alltäglich begegnen Karikaturen jedem Leser der Tageszeitungen, solche, die die aktuellen politischen Situationen reflektieren und kommentieren. Und wie kann es eigentlich sein, dass verschiedene Untersuchungen immer wieder ergeben, dass der Comicteil der Zeitung mit Abstand der am häufigsten gelesene ist? Ganz einfach: Comics sind unglaublich effektive Kommunikationsmedien!
Kommunikationstheorie
Um das Ganze verstehen zu können, muss man sich zu allererst der Kommunikations-theorie ein bisschen annähern. Was ist Kommunikation? Die amerikanische Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Julia Wood gibt dazu folgende Defintion: Kommunikation ist ein systemischer Prozess, in dem Individuen durch Symbole interagieren, um Bedeutung zu kreieren und zu interpretieren. Dieser Satz enthält verschiedene Informationen: Zuallererst ist Kommunikation ein fortlaufender Prozess. Um ein Gespräch oder eine Karikatur zu verstehen, muss man im Bilde des "Already spokens" (des bereits Gesagten) sein, wie es der russische Linguist Bakhtin nennt. Gemeint ist damit der gesamte Kontext eines Comics. Warum werden gerade Mohammed Bilder abgebildet? Welche "already spokens" befinden sich hinter der Darstellungen eines Mohammeds mit einer Bombe als Turban? Da ist natürlich 9/11 zu nennen, das Ereignis, das der amerikanische Historiker Paul Auster kommentierte mit: "Erst jetzt hat das 21. Jahrhundert begonnen." Die Angst vor religiös motivierten Terroristen ist seitdem in Amerika und Europa enorm gestiegen. Das reflektieren natürlich auch die öffentlichen Medien. Aber auch auf der Seite vieler Muslime im Nahen und Mittleren Ostens gibt es bedeutende "already spokens": Der (Post)kolonialismus, die wirtschaftliche und politische Ausgrenzung über Jahrhunderte hinweg, der westliche Kulturimperialismus, der versuchte, das Bild eines "entwickelten Westen" einem "unterentwickleten Orient" gegenüberzustellen.Als nächstes nennt Woods Kommunikationstheorie das “Systemische”. Gemeint ist damit, welche Assoziationen oder Reaktionen die Teilnehmer der Kommunikation mit den Gesagten oder Dargestellten aufgrund ihre Sozialisierung machen. Mit Sozialisierung meint Woods Faktoren wie Familie, Ausbildung, Nationalität, Kultur etc. Da sei zuerst genannt, dass es in Europa eine ausgeprägte Satire-Kultur gibt. Die meisten Europäer haben ein entsprechendes Script, ein abgespeichertes Handlungsmuster, wie sie mit Karikaturen umgehen. Der Bogen spannt sich dabei von Gleichgültigkeit, Amusement und Interesse bis hin zu Aufregung und sogar Wut. Vergleicht man dieses Script mit dem System in Ländern wie Ägypten, so muss man feststellen, dass Karikaturen größtenteils zur polemischen Ausgrenzung von z.B. Amerika oder Israel angefertigt werden. Ernsthafte Kritik an der eigenen Regierung (zumindest zu Zeiten Mubaraks) war in den öffentlichen Medien undenkbar! Tahar Ben Jelloun schreibt in seinem Buch "Der Arabische Frühling" (2011) über einen alten Mann, der Scherze über den Präsidenten Mubarak gemacht hatte (und diese wohl sogar nur mündlich), folgendes: "Sie fanden ihn und brachten ihn vor den Präsidenten. Als Mubarak ihn sah, verstand er nicht, wie ein solch alter, zahnloser Unglücklicher in der Lage gewesen war, sein Bild derart zu verspotten. Aber er wahr zu alt, um gefoltert zu werden, sodass Mubarak sich entschloss, ihn nur zu rügen.
>Wie kann es sein, dass du solch furchtbare Dinge von mir erzählst? Von mir, der das Land von Übel gerettet hat, der Freiheit gebracht hat, Wohlstand, Demokratie! Hör sofort mit deiner Lügerei auf! Auf dass du dir darüber klar wirst, dass ich, Mubarak, unter allen Ägyptern derjenige bin, der das meiste für dieses Land getan hat! Ich schlafe nicht, ich mache nichts anderes, als mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man die Verhältnisse in diesem Land verbessern kann...<
Daraufhin der Alte: >Herr Präsident! Ich schwöre, das ich diesen Witz niemals erzählt habe!<"
Im System einiger Leser in den genannten Gebieten ist also für eine Kultur der öffentlichen Kritik kein entsprechendes Script vorhanden. Wie gehe ich mit Karikaturen um, die das Verhalten einer Minderheit in meinem Kulturkreis kritisiert? Und das bringt uns zu dem nächsten, hier wohl einschlägigsten Punkt der Kommunikationstheorie Woods: die Symbole und ihre Bedeutung.
Generell muss hierzu gesagt werden, dass Symbole immer abstrakt (d.h. nicht greifbar), arbiträr (d.h. willkürlich) und doppeldeutig (d.h. mit mehreren Bedeutungen assoziierbar) sind. Ein Symbol ist eine gesellschaftliche Übereinkunft, eine Absprache, eine gemeinsame Idee. Was ein Symbol für uns bedeutet, hängt ganz stark vom Punkt "System" ab: Wenn wir eine Karikatur sehen, dann versuchen wir diese Information mit Hilfe unseres Kontextwissens und unserer Sozialisierung zu entschlüsseln. Natürlich ist das Ergebnis individuell unterschiedlich. Trotzdem kann man von einem generellen gesellschaftlichen Trend ausgehen. Im Fall einer Mohammed Kariaktur mit einer Bombe auf dem Kopf und dem muslimischen Glaubensbekenntnis darauf, würden viele Europäer diese Darstellung als Kritik an einer verblendeten, fundamentalen religiösen Einstellung lesen.
Aber was bedeutet diese Symbol für eine muslimische Gesellschaft? Abgesehen davon, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die Mehrheit der muslimischen Leser mit dem (vermutlich beabsichtigten) Inhalt der Kritik an terroristischen Anschlägen übereinstimmen würden, bedeutet diese Darstellung für andere vor allem eines: Die Verletzung des Bilder-Verbotes, das im Koran nahe gelegt wird. Hier muss man wieder etwas genauer hinschauen: Vielen Muslimen wird dieses Gebot recht egal sein, da die Mehrheit der Muslime einen moderaten, liberalen Islam leben. Aber für diejenigen Muslime, denen diese Gesetze heilig sind, ist eine solche Darstellung nicht nur eine Beleidigung ihrer Religion, sondern auch ein religiöses Vergehen. Fraglich ist dabei auch, ob es angemessen ist, Mohammed, als letzten Propheten des gesamten (sunnitischen) Islam, gleichzusetzen mit einer verbrecherischen Minderheit - oder ob eine derartige Darstellung nicht einer gefährlichen, unreflektierten Verallgemeinerung gleichkommt.
Über die Effektivität von Karikaturen, Comics und Graphic Novels
Trotz dieser manchmal problematischen oder auch gefährlichen Vergröberungen oder Überspitzungen sind Karikaturen nicht wegzudenken aus unserer Freien Presse. Aber was die Presse schon lange für sich nutzt, hat in den vergangenen Jahren auch die Literatur- und Kunstszene für sich entdeckt. Ich möchte das Gebiet hier gerne etwas ausweiten zu Cartoons, Comics und Graphic Novels. Der große Vorteil dieses Mediums ist zum einem seine leichte Zugänglichkeit: Man findet sie in Zeitungen, in jeder Buchhandlung, in Comicläden, auf Plakaten in den Städten oder sogar gesprayt an Wände oder Zugwaggons. Sie sind praktisch überall und für fast alle sichtbar. Zum anderen sind sie leicht zu verstehen (vorausgesetzt, man teilt die selben Symbole). Sowohl in der westlichen als auch arabischen Populärkultur finden diese Medien großen Anklang. Sie dienen der Unterhaltung und der Formung von ethischen und gesellschaftlichen Normen. Vor allem das Genre der Graphic Novels ist zur Zeit im großen Aufschwung. Die künstlerische Avantgarde dieses Genres kommt übrigens aus Ägypten! Schon allein wegen dieser kulturellen Signifikanz sind diese Medien unbedingt zu berücksichtigen. Wie also umgehen mit Karikaturen, Comics und Graphic Novels?Es erscheint immer wichtiger in einer derart vernetzten Welt, in der eine Karikatur heute veröffentlicht und morgen um den Erdball verteilt ist, dass Zeitungen, Karikaturisten und Künstler sich ihrer Verantwortung, die sie mit ihren Werken übernehmen müssen, bewusst sind. Natürlich haben wir eine Presse- und Meinungsfreiheit und natürlich veröffentlichen arabische Medien selbst abwertende Karikaturen über den Papst oder Juden. Die Frage, die sich aber stellt, ist doch folgende: Wer hat dadurch gewonnen? Die Zeitung Charlie Hebdo, die 2011 Opfer eines vermutlich islamistisch motvierten Brandanschlags wurde? Den Lesern in Europa, deren Vorurteile gegenüber Muslime, die möglicherweise in der Nachbarschaft wohnen, immer größer werden? Den Lesern in der arabischen Welt, die solche Veröffentlichungen aus ihrem kulturellen Kontext heraus als eine schwere Beleidigung empfinden? Die Regierungen Europas oder Amerika, deren Botschaften oder Flaggen brannten? Der kulturelle Dialog?
Einmal mehr wird deutlich, wie sehr Freiheit mit Verantwortung verknüpft ist.
Isis Mrugalla, Sevilla 2012
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